
Fleisch ist mein Gemüse – das habe ich ja schon immer (in meinen Kolumnen) zum Ausdruck gebracht. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Fleisch und Geflügel in früheren Zeiten mehr Wert anhaftete und mehr geschätzt wurde.
Dabei gewinnt die fleischfreie oder vegane Ernährung einen immer höheren Stellenwert in der Küche. Je mehr man sich mit der sogenannten industriellen Fleischerzeugung beschäftigt, desto begrüßenswerter ist dieser Trend, denn Nachhaltigkeit und Wertschätzung ist vielen – was das Thema Fleisch und Geflügel angeht – noch immer ein Fremdwort. Geiz ist geil bestimmte die letzten Jahre den Trend beim Metzger oder Discounter, Fleisch und gerade Geflügel wurden immer preiswerter und sogar billig. Denn das kann ja wohl nicht den Preis wert sein, zu dem das Fleisch in der Auslage auf seinen Verzehr wartet? Hatte nicht erst letztens ein großer Discounter einen veritablen Shitstorm geerntet, weil das Geflügel regelrecht verramscht wurde?
Vollständige Verwertungskette
Gern erinnere ich mich an meine Zeit vor ca. 18 Jahren bei den Eidgenossen am Zürcher See. Das Rinderfilet mit einem für mich damals horrenden Kilogramm- Preis von ca. 90 Schweizer Fränkli wurde wie Goldstaub behandelt, der Küchenchef kannte seine Tiere mit Vornamen und legte großen Wert auf eine vollständige Verwertungskette. Alle Sehnen und Knochen wurden abgeschabt und alles wurde irgendwie verarbeitet – dieser Trend wird in der Individual-Gastronomie bereits wieder aufgegriffen und auch erfolgreich vermarktet. Das Tier besteht eben nicht nur aus dem Rückenstück und dem Filet.
Als ich den Beruf Koch in einer Großküche in einem (eröffneten) Berliner Flughafen lernte, gab es noch ganze Tiere oder Tierhälften zu verarbeiten. Uns wurde gelehrt wie man diese Tiere aufbricht und alle Teile des Tieres verarbeitet. Stehe ich heute in der IHK-Abschluss- Prüfung in der Funktion des Prüfers und sehe die angehenden Fachkräfte z.B. einen Schweinelachs parieren, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Selbst in großen renommierten 4- bis 5-Sterne-Hotels gibt es vorportionierte Fleischstücke und den Auszubildenden wird das Ausbrechen von Fleisch oder Wild nur noch in Spezialkursen vermittelt. Wie soll man da das Fleisch schätzen lernen oder ein Gefühl dafür bekommen?
Trends für die Zukunft
Gerade im heiß umkämpften Käufermarkt der Betriebsgastronomie spielt der Preis immer noch die erste Geige. Um die Verkaufspreise im Mittagsgeschäft niedrig zu halten, wird leider oft an der Qualität gespart und das Tierwohl oder die nachhaltige Aufzucht sind nebensächlich. Diesen Trend gilt es umzukehren! L & D Persönliche Gastronomie hat in der ersten Jahreshälfte einen neuen Betrieb eröffnet bei dem zu 100 % ausschließlich nachhaltiges Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch verwendet wird. Davon gilt es potenzielle Kunden zu überzeugen und somit Trends für die Zukunft zu setzen. Da sollten wir in der Betriebsgastronomie mal wieder Vorbild sein und die Gäste von der Qualität und den damit einhergehenden höheren Verkaufspreisen oder von kleineren Portionsgrößen zu Gunsten der Nachhaltigkeit überzeugen.
In diesem Sinne
Ihr Heiko Becker
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Heiko Becker ist gelernter Koch, Mitglied im Verband der Köche Deutschlands und seit 15 Jahren für das Cateringunternehmen L & D im Betriebsrestaurant einer Berliner Bundesbehörde mit ca. 700 Gästen täglich tätig. Geboren und aufgewachsen ist er in (Ost-) Berlin. Dort besuchte er die Hotelfachschule und absolvierte seine Ausbildung in der GV, in Sterne-Restaurants und im In- und Ausland.